AKW Temelin

Seit dem Entstehen der österreichischen Anti-Atom-Bewegung (AKW Zwentendorf) war kaum ein Protest so groß, wie der gegen das AKW Temelin. Dort wurden seit den 1980-ern zwei Reaktoren gebaut, die 2000 bzw. 2002 – trotz enormer Proteste im In- und Ausland – in Betrieb gingen.
Über Jahre hinweg wurde die österreichische Bevölkerung mobilisiert und folgte zu Tausenden. Grenzblockaden und Konfrontationen mit der Politik etablierten sich damals als neue Form des Widerstands. Temelin wurde so quasi zu einem Synonym für den (ober)österreichischen Anti-Atom-Aktivismus.

Geschichte

In den 1980er-Jahren beschloss die tschechoslowakische Regierung am Standort Temelin (rund 50 km von der österreichischen Grenze entfernt), vier Druckwasserreaktoren russischer Bauart mit je 1000 MW Leistung zu bauen. Baubeginn war 1987. Schon schon 1990 wurde jedoch entschieden, nur zwei Atomreaktoren zu realisieren und mit westlicher Technik der US-Firma Westinghouse nachzurüsten.
Gerade dieser Mix aus Ost- und Westtechnologie wurde von den Atomgegner_innen in der damaligen Tschechoslowakei und im angrenzenden Ausland (besonders in Österreich und Deutschland) als besonders gefährlich eingestuft, zahlreiche Sicherheitsfragen galten als völlig ungeklärt.

Grenzblockaden und Melker Prozess

Besonders vor der Inbetriebnahme der Atomreaktoren im Jahr 2000 gab es massive Proteste – auch an den Grenzen zu Österreich, die tagelang blockiert wurden. Die Regierungen in Prag und Wien verständigten sich daraufhin auf umfassende Sicherheitsnachrüstungen, die im sogenannten Melker Prozess definiert wurden. Insgesamt sieben höchst sicherheitsrelevante Fragen sollten von den tschechischen Atomkraftbetreibern umfassend gelöst werden, bevor der kommerzielle Betrieb im AKW Temelin aufgenommen werden sollte. Die vollständige Erfüllung dieser Konditionen erfolgte jedoch nicht. Für viel Aufregung sorgten die laufenden Störfälle und erzwungenen Abschaltungen der beiden Atomreaktoren. Besonders die Vibrationen der Turbine verursachten viele Pannen.

Der Melker Prozess wurde von den Atomgegner_innen von Anfang an kritisch verfolgt. Im Jahr 2006 und 2007 kam es neuerlich zu massiven Protesten in Österreich, in der Tschechischen Republik und an den Grenzen, weil wesentliche Sicherheitsfragen immer noch ungelöst erschienen.

2010 wechselte der Temelin-Betreiber auf einen russischen Brennstofflieferanten. Neue Probleme tauchten auf. Ungeachtet dessen spekulierte man in der Tschechischen Regierung unverhohlen mit einem Ausbau des Atomkraftwerks um zwei weitere Atomreaktoren, führte auch eine komplette Umweltverträglichkeitsprüfung durch. 2014 wurde jedoch der Ausbau aus wirtschaftlichen Gründen wieder verworfen. Die Pläne werden seither in unregelmäßigen Abständen immer wieder aus der Schublade geholt, ein konkreter Termin ist allerdings auch heute, 2020, noch nicht ablesbar.

Ausbau geplant, Finanzierung und Atommüllfrage ungelöst

Die tschechische Regierung will nichtsdestotrotz nach wie vor einen Ausbau des Atomkraftwerks Temelin, stößt dabei aber auf die Bedingung des Temelin-Betreibers, der ohne staatliche Subventionen einen Ausbau nicht umsetzen kann. Die staatlichen Subventionen wiederum lehnt die tschechische Regierung ab.

Erfolglos ist nach wie vor auch die Suche nach einem Endlager für die hochradioaktiven Brennstäbe, die sich derzeit in einem Zwischenlager am Standort Temelin befinden. Ursprünglich war geplant, dass im Jahr 2065 ein Endlager für den Atomabfall in Betrieb ist. Der Zeitplan wird aber keinesfalls halten, weil bis heute (Stand: 2020) nicht geklärt ist, welche Gemeinde überhaupt bereit ist, ein Endlager errichten zu lassen. Die Standortauswahl wird von den betroffenen tschechischen Gemeinden als undemokratisch und willkürlich bezeichnet, der Widerstand aus der Bevölkerung dagegen gestaltet sich außerordentlich beharrlich.


Durch die Grenznähe zu Österreich, die laufenden Störfälle an den beiden Reaktoren, wo im Jahr 2000 im Block I die erste Kettenreaktion gezündet wurde, und dem geplanten Ausbau um zwei weitere Reaktoren war und bleibt Temelin ein zentraler Angriffspunkt der oö. Antiatom-Bewegung.

Gekämpft wurde und wird gemeinsam mit engagierten tschechischen Umweltorganisation und Vereinen:

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